Ahrtal>Cochem - Old Easy Riders

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Tourberichte

                                                                                 Reisebericht vom 6.9.16
   

                   


Leute, Leute!
Seid ihr noch gescheit?
Ihr seid allesamt Rentner! Und Rentner sind per Definition alt! Akzeptiert das doch endlich!
Ein guter Rentner schläft schlecht, steht so gegen 8.00 Uhr morgens auf, zieht sich an und geht dann so gegen 9.00 Uhr mit dem Hund um den Block, kauft  Brötchen und die Bildzeitung  und studiert die  dann ausgiebigst. Nachmittags geht er in die Alten-Begegnungsstätte und diskutiert mit den anderen Alten über die guten alten Zeiten, die verkommene Jugend und die miese Politik.
Und ihr?
Verabredet euch um 9.00 Uhr bei Polo in Jüchen. Jüchen ein Kaff noch hinter Grevenbroich. Und Grevenbroich liegt schon am Arsch der Welt, wie uns Horst Schlemmer beigebracht hat.
Da habt ihr dann schon so ca. 40 km auf dem Moped hinter euch. Eine Anfahrt mit Haken und Ösen durch den Dschungel des Berufsverkehrs. Und das habt ihr dann auch prompt davon:
Einer musste unbedingt an der langen Schlange wartender Autos vor Bauampel vorbei, um noch pünktlich zu kommen. Da waren kreative Lösungen gefragt. Aber wozu gibt es Fahrnebenspuren? Manche nennen sie auch Fahrradwege. Aber als Rentner fährt man dort nicht vor 11.00 Uhr und dann höchstens mit E-Bikes. Ihr Oldies habt da wohl was falsch verstanden. Es gibt keine 4-Takt Verbrennungs-E-Bikes. Und schon gar keine mit 750 ccm Hubraum, 70 PS und einer Reichweite von ca. 300km. E-Bikes tanken Strom und kein Super-Benzin.
Ein anderer aus der Rowdytruppe musste unter allen Umständen schnell durch den ca. 10 km langen Stau auf der Autobahn . Also ab durch die Mitte! Leute, Leute. Das machen doch nur die jugendlichen, Testosteron geplagten Rüpel, die sich noch beweisen müssen  Aber doch keine mit den Jahren ruhig gewordenen Senioren!

So nebenbei: Wie steht es eigentlich um die entsprechende Petition im Bundestag? Abgeschmettert? Ok. Behandeln wir den Sachverhalt mit der gleichen Strategie wie die Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Nachdem jeder der Tourmitglieder so seine eigenen Abenteuer auf der Anfahrt hatten, trudelten so nach und nach die Kurvenjunkies der OldEasyRiders ein: Hardy, Bernd, Rolf und Detlef.
Sogar der Walter war da, um die Mitglieder zu begrüßen. Leider konnte er nicht mitfahren, da sein Job auf ihn wartete. Hey Walter, auch du bist Rentner!
Beim obligatorischen Kaffee vor dem Polo-Lokal gab es den Ausdruck für die Tour und damit natürlich sofort die entsprechende Kritik:
- „Nur 250 km! Was machen wir denn am Nachmittag?“ Da im Ausdruck aber die Anfahrt und Rückfahrt in die Eifel nicht enthalten waren, war man ausnahmsweise gewillt, die kleine Tagesrunde zu akzeptieren.
- „Wer hat denn dieeeeeee Tour ausgearbeitet?“ Die alles entscheidende Frage nach dem Schuldigen, wenn die Tour nicht schön werden sollte. Detlef hatte zwar den Ausdruck gemacht, wies aber alle Verantwortung von sich, da Hardy die Eckpunkte gesetzt hatte. Hardy wies wiederum darauf hin, dass die von ihm übermittelten Eckpunkte in der von ihm vorgeschlagenen Reihenfolge so ja gar nicht zu realisieren sind. Also kann er auch nicht für den Mist verantwortlich gemacht werden. Es war wie in der großen Politik: Ein Schuldiger war nicht auszumachen.
Vor der Abfahrt gab es den üblichen Moped-Check. Als Senior hat man sein Handwerk gelernt. Außerdem ist man ja im Laufe der Jahre auch vorsichtig geworden.

Bernd, Rolf und Detlef prüfen Bremse, Öl, Reifen, den Benzinstand, den Sitz der Hecktasche, die Bekleidung und die Frisur. Hardy prüft den Sitz der Kabelbinder, mit denen das Navi am Lenker befestigt ist. Und dann natürlich die (über-)lebenswichtige Funktion  der Trittbretter für seine Füße.
Nein, nein! Hardy hat kein Fußleiden. Die Dinger müssen unbedingt leichtgängig einklappen, wenn er durch die Kurven fetzt. Sonst verhaken die sich bei Bodenkontakt.  Gemeint sind natürlich die Trittbretter, nicht die Füße! Ihr Ignoranten.
Der Check ist dann endlich durch. Bernd, Rolf und Detlef gehen vor dem Start noch einmal zur Toilette.
Hardy hat keine Zeit dafür, er streichelt statt dessen sein Moped.
„Haaaaardyyyyyyyyy!!!!“
Hardy geht zur Toilette.

Und dann geht es endlich los. Es ist 9.41Uhr! Das muss beim nächsten Mal besser werden!
Ab auf die schnurgerade A61. Ein gerades Betonband bis zum Horizont. So wie man es eigentlich nur aus den USA kennt. Zum Beispiel in Texas.
Mit wenig Verkehr. So wie in Texas.
Die Gruppe fährt noch nicht einmal mit  80 Meilen.
Die Sonne scheint bei strahlend blauem Himmel. Ganz wie in Texas.
Hardy fühlt das sonore Brummen des V2 seiner 1100 Dragster zwischen den Beinen. Hardy fährt der Sonne entgegen. Hardy fühlt sich wie Henry Fonda im Film Easy Rider.
Der arme Henry musste aber auf glühend heißen und staubigen Straßen in einer öden Steppenlandschaft fahren.
Hardy hat es besser.
Hardy fährt in einer blühenden Landschaft, bei angenehmen 20 Grad.
Wer will da schon nach Texas?
Das Leben in Deutschland ist so schön.
Plötzlich reist er den Kopf herum. Es stinkt bestialisch nach Gülle! Er sieht mehrere holländische Tanklastzüge, die ihre Gülle-Ladung auf der Wiese entleeren. Holländischer Gülletourismus!
Hardys Gedanken schweifen ab. Was waren das doch für tolle Zeiten, als EasyRider im Kino lief. Damals fuhren die Deutschen nach Holland, um Zigaretten, Kaffee und Diesel zu kaufen. Und Holland war „Frau Antje“. Holländische LKW brachten die gute Butter nach Deutschland. Keine Gülle! Früher war alles besser.
Hardy ist halt doch irgendwo ein Rentner.
In Meckenheim geht es von der Autobahn ab. Die Truppe kommt durch Altenahr.
                                                            
Bernd denkt an frühere Zeiten. Zeiten, in denen er mit seinen Kumpels zum Wochenende nach Altenahr gefahren war. Zeiten, in denen sie von der schönen Landschaft nicht viel gesehen haben, aber dafür alle einschlägigen Lokale kannten. Lokale, die auch der Damenkegelklub aus Essen kannte….
Das waren noch Zeiten!
Das Ahrtal liegt Anfang September in der warmen Morgensonne. Die Rebstöcke an den Hängen sind voll von reifen Trauben. Der Verkehr ist gering, die Stimmung so friedlich. Da haben selbst die Kurvenjunkies noch keine Lust auf Kurven. Sie genießen einfach die wunderschöne Landschaft in der ruhigen, fast paradiesischen Atmosphäre.
In Dernau lädt ein Eiskaffee die Gruppe zu ihrer ersten Rast ein. Vor dem Kaffee sitzt ein Rentner-Ehepaar in der Sonne auf der Bank und genießt ein Eis. Hinter ihnen ragt ein kegelförmiger Berg voll mit Rebstöcken auf, ganz so als wollte er die alten Herrschaften vor aller Unbill bewahren.
Einfach traumhaft.
Die OldEasyRider-Kurvenjunkies können der Versuchung nicht widerstehen und machen ihre erste Pause in dem sonst noch leeren Eiskaffee.

Natürlich entwickeln sich sofort  die üblichen Rentnergespräche:  Die Merkel, die Asylanten, die Gesundheit. Detlef berichtet von einem Bekannten seines Alters, der gerade in einer großen OP mehrere Bypässe bekommen hat. Jetzt muss er Blutverdünner nehmen. Außerdem muss er auf seinen Cholesterin-Pegel achten. Dabei schiebt sich Detlef Apfelstrudel, Eis und Sahne genüsslich in den Mund. Und das kurz vor 11.00 Uhr. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Rolf erzählt, dass er heute eigentlich einen wichtigen Arzttermin hatte. Da der aber mit dem Tourtermin kollidierte, musste der Doc weichen. Man muss halt Prioritäten setzen!
Hey Leute! Ihr seid Rentner! So benehmen sich keine Rentner.
Wenn Rentner eine Tour machen, dann eine Kaffeefahrt, in der Heizdecken, Wunderpillen und magische Steine verkauft werden. Und Rentner werden gefahren.  Mit Bussen.  Nicht mit Mopeds! Und wenn Rentner doch Moped fahren, dann höchsten 10 km weit  und höchstens zum nächsten Motorradtreff. Dort sitzen sie dann stundenlang und erzählen über die guten alten Zeiten. Und dann fahren sie die 10 km zurück. Natürlich so, dass sie zu Hause sind, bevor die Straßenlaternen angehen.
Rentner verlegen auch keine Arzttermine für ihr Vergnügen.
Gute Rentner jedenfalls nicht.
Wir kommen ins Gespräch mit einem älteren Ehepaar, das mit einem Motorrad mit Beiwagen unterwegs ist. Die Maschine wurde so gegen 1950 gebaut. Sie selbst fahren seit 1955 Motorrad.
Wie alt mögen die wohl sein? Sie fuhren ganz ohne Begleitung. Ganz allein. Weit weg von zu Hause.
Rentner sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.
Früher war alles halt besser. Selbst die Rentner.

Frisch gestärkt ging es weiter.
Die Landschaft blieb traumhaft. Die Anzahl der Kurven nahm zu. Die Reisegeschwindigkeit auch.
Als die Truppe an der Hohen Acht angekommen war, schlugt Hardy vor, den Aussichtsturm zu besichtigen.
Das wurde aber kategorisch abgelehnt:
- Erstens, weil es zu Fuß gewesen wäre. Unglaublich.
- Zweitens wäre es von der  Zeit zum Fahren abgegangen.
- Drittens mögen Easyrider keine kulturellen Veranstaltungen. Auch wenn es in diesem Fall schon einen sehr weiten Kulturbegriff erfordert hätte. Schon die alten Römer wussten es: Wehret den Anfängen.
Die OldEasyRiders haben deshalb das bekannte Motto „No Sports“ zu „No Sports, no Culture“ erweitert. Gut so.
Und weiter ging es. Kurven ohne Ende. Sogar reichlich Serpentinen. Es kam schon so etwas wie Alpenfeeling auf. Besonders in dem Stück hinter Cochem, in dem es in den Hunsrück ging. Tolle Täler bei wenig Verkehr und meistens gute Straßen. Das ist in Rheinland-Pfalz ja nicht immer so. Die Pfälzer haben halt auch Prioritäten gesetzt. Zum Beispiel beim Ausbau des Nürburgrings zu einem Vergnügungspark. Wer braucht da schon gute Straßen?
Die Truppe fährt sich in einen wahren Rausch. Bei Hardy wirkt die Droge Kurvenrausch in ganz besonderem Maße. Mit reichlich Dope im Blut hängt er plötzlich dem Detlef im Nacken. Gefühlt fährt der aber auch heute besonders langsam. Nur knapp über 100. In den Kurven manchmal sogar noch langsamer.  Kann der nicht schneller? Hardys Fußbretter knirschen herzzerreißend in den Kurven über den Asphalt. Hardy ist glücklich. Jeder Kratzer in den Trittkanten adelt Moped und Fahrer ein wenig mehr. Und Hardy sammelt heute reichlich Adelszeichen: Einen nach dem anderen. Links wie rechts. Schließlich sind die Trittbretter voll von diesen Adelszeichen. Und das heißt: Hardy heißt ab heute: „Graf Hardy von der Kurvenhatz“.
Aber wie immer im Leben gibt es auch negative Seiten: Nächstes Mal fährt Graf Hardy vor.

Und weiter geht die Tour mit Kurven am laufenden Band Richtung Blankenheim. Mittlerweile taucht die Abendsonne die Landschaft in ein warmes, gelbes Licht. Heißluftballone sind am Himmel und Paraglider nutzen die idyllischen Wetterbedingungen.
Die Welt kann so schön sein.
Die Abendsonne meint es besonders gut mit der Gruppe.  Eigentlich zu gut. Die Sonne  scheint den Fahrern genau ins Gesicht und nimmt ihnen dabei die Sicht auf die Straße.  Das macht das Fahren schon sehr anstrengend.
Eigentlich darf man es ja nicht sagen. Aber die Kurvenjunkies haben für heute genug Kurven gehabt. Die Luft ist raus. Und das kommt bei den Jungs wirklich nicht häufig vor.
Zurück geht es ab Blankenheim über die Autobahn. Die ist natürlich zu so später Stunde leer und mit dem schon bekannten Easy-Rider-Gefühl kommt die Rentnertruppe mit gewissen Ermüdungserscheinungen so gegen 21.00 Uhr zu Hause an.
Senile Bettflucht ist bei dieser Truppe in der folgenden Nacht wohl nicht zu befürchten.
Da schon eher die typischen Symptome der Gaskrankheit:  Dicke Finger mit schmerzendem rechten Handgelenk.
12 Stunden waren Junkies unterwegs und und sind dabei 538 Kilometern gefahren.
Vielleicht haben die Politiker ja doch recht, wenn sie das Renteneintrittsalter auf 85 anheben wollen.
Irgendwie muss man die Irren doch von der Straße bekommen!!!!



          
 
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